BUTIJN,
DAS BÖSE AUGE
Im Brabants Nieuwsblad sprach der aus Bergen op Zoom stammende Schriftsteller
Albert Hagenaars vor kurzem über sein Roman ‘Butijn, das böse Auge’.
Auffallend war dort die Äußerung über das Thema von seinem zweitem Roman:
“Ich habe lange gezweifelt, ob ich darüber schreiben soll: kann ich und vor
allem darf ich darüber schreiben.” Dies ist eine dankbare Aussage für einen
Kritiker.
Das Zögern von Albert Hagenaars ist eine Beruhigung: Wer so viel Zweifel an
sich selbst konstatiert, ist vorsichtig Mit der Entscheidung über sein Thema
hat er es sich nicht gerade leicht gemacht. Das Syndrom der japanischen Kämpfe
steht seit Jahren zur Diskussion.
Debatte
So hat Rudy Kousbroek, in einer hitzigen
Diskussion mit Jeroen Brouwers, mehrere Male seine Messer gewetzt. Von Jeroen
Brouwers ist das Buch ‘Bezonken rood’, ein ergreifendes Dokument über die
Erfahrungen in einem Gefangenenlager von einem Jungen. Genau in der Bücherwoche
erschien eine Sammlung von Essays. ‘Das Ostindische Gefangenenlagersyndrom’,
in dem Kousbroek noch einmal seine Meinung formuliert. Wer einigermaßen etwas
von der Problematik versteht, weiß dass Kousbroek viele traumatische
Erfahrungen in einem Gefangenenlager stark relativiert. Diese sind, seiner
Meinung nach, nicht vergleichbar mit der der Opfer in den deutschen
Konzentrationslagern.
Es ist darum verständlich, warum Hagenaars sich die Frage gestellt hat, ob er
über die Erfahrungen in einem japanischen Gefangenenlager einen überzeugenden
Roman schreiben könne, während man alles vom Hörensagen hat. Meiner Meinung
nach hat der Schreiber durch seine äußerst zorgfältige Arbeitsweise – ich würde
einfach sagen pur handwerklich – einen Roman von Format abgeliefert.
Spinnenweben
Es sind aber auch Fehler vorhanden. Es
ist offensichtlich, dass in der Schnelle eine letzte Korrektur des Stils auf der
Strecke geblieben ist, um das Werk in der Bücherwoche erscheinen zu lassen. Es
sind noch ein paar kleine Nachlässigkeiten vorhanden. Daneben stört, dass die
Anzahl der malaiischen Wörter in der erklärenden Wörterliste fehlt. Aber
dieses Fehlen verschiedener Dinge ist nicht wichtig, wenn man darüber nachdenkt,
was Albert Hagenaars seinen Lesern über 300 Seiten geboten hat: ein
psychologischer (Doppel-) Roman, den man am besten mit einem Spinnennetz
vergleichen kann. Das Bild
das ich hier gebrauche, lehne ich an das Buch an. Der Umschlag schon
zeigt ein Negativ von einem Foto, wo man eine Frauenfigur erkennen kann, die
sich zum Teil hinter einem Spinnennetz befindet. Des Weiteren wird die Spinne in
beiden Mottos des Buches genannt. Das Erste ist aus einem Stück von W.B. Yeats.
Es geht dabei über die Liebe, die das Auge einer Spinne hat auf der Suche nach
einem passenden Schmerz in Form von Grausamkeiten, welche auf die Menschen
warten, durch seine Entscheidungen, die er macht und durch die zynische
Bestimmungen.
Im zweiten Motto wird Giovanni Descoeurs zitiert, wo er sich fragt, ob eine
Spinne sich eine tastbare Welt webt oder einen Schleier von Illusionen, hinter
der sich eine größere Wirklichkeit verbirgt. In dem Buch selbst kommt einige
Male eine Spinne vor, die durch eine der Hauptfiguren mit toten Insekten “gefüttert“
wird. Aber über dem steht: Als Leser wird man langsam aber sicher verstrickt in
das faszinierendes Netz des Buches.
Abrechnung
Anfänglich scheint es über die
Geschichte des ungefähr 60jährigen Kriegsfotografen Ben Butijn und über den
viel jüngeren Studenten Danny de Wit zu gehen. Es entwickelt zu einem Roman, in
dem die Geschichten dieser Personen raffiniert kombiniert werden. Auch
entwickelt sich der Roman zu einem Thriller mit einer dramatischen Abrechnung.
Der Leser wird mit der Frage zurück gelassen, mit wem abgerechnet wurde. Auf
diese Art und Weise sorgt Albert Hagenaars dafür, dass das Buch auch nach dem
Lesen einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Das ostindische
Gefangenenlagersyndrom ist bei Butijn eine Tatsache, die schon sein ganzes Leben
im Griff hat. Er war in 3 japanischen Gefangenenlagern, erst in Tijdeng, wo auch
Jeoren Brouwers war. Durch das Drängen eines Psychiaters geht Butijn zurück
zur Quelle seiner Probleme. Danny de Wit, die andere Hauptfigur, reist nach dem
Tot seines Vaters nach Indonesien. Er hat ihm versprochen das Land einmal zu
besuchen, wo seine Wurzeln liegen und wo seine Eltern glücklich gewesen sind,
bis das Grauen des Krieges kam. Durch seine halbindonesische Abstammung kann
Danny einfach Kontakte knüpfen. Auf seiner Reise bekommt er von einem alten
Mann zu hören, was wirklich in Indonesien passiert ist. Dabei spielt das
Gefangenenlagersyndrom natürlich eine außergewöhnliche Rolle, aber es erweist
sich, dass die Befreiung aus den Gefangenenlagern für viele Menschen noch tief
greifender wirkte. Durch die britische Pazifisierung und durch politische
Aktionen der Niederländer waren Grausamkeiten an der Tagesordnung, nicht nur
durch die Guerillastrategie indonesischer Nationalisten auch aber durch Niederländer,
was schändlich genug ist.
Therapie
Mit diesem Wissen vollendet Danny
de Wit ein Buch über Ben Butijn, den er im Flugzeug getroffen hatte. Für ihn
hat es erwiesen, dass das Schreiben des Buches eine Art Therapie gewesen ist.
“Ich brauche Ben, mein Ben, noch einmal. Erst dann kann ich weiter, einfach
leben. Nicht mehr schreiben. Niemals mehr schreiben. Einfach leben…“ Durch
den Stift von Danny ist Butijn, für Außenstehende, ein unmenschlicher Mann
geworden, weil er in seiner Jugend unmenschliche Dinge erfahren hatte. Erklärt
das auch, warum er als Kriegsfotograf die Schlachtfelder dieser Welt besuchen
bleibt? Eines ist sicher! Butijn hat ein grausames Geheimnis.
Zum Schluss will ich anmerken, dass im Buch von Albert Hagenaar noch mehr steckt,
als die Suche von Danny de Wit und Ben Butijn. Er gibt auch außergewöhnliche
Bilder wieder die eine gewisse Stimmung bei einem entstehen lässt , wie u.a.
durch die Beschreibung des Karnevals in Bergen op Zoom oder durch die
Beschreibungen der javanische Städte und Dörfer, die er durch Danny de Wit
besuchen lässt. Es zeigt sich wieder, dass der Schreiber alles gut dokumentiert
hat.
‘Butijn, das böse Auge’ ist ein Buch, wo jeder Schreiber stolz drauf sein
kann.
´Butijn, das böse Auge´
von Albert Hagenaars, Verlag In de Knipscheer, Amsterdam; 320 Seiten
Michiel de Koning, Brabants Nieuwsblad, 3
April, 1992.
Ubersetzung
Helge Herzmann
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